Wir sind es gewohnt, Wege zu benutzen, nicht, sie zu befragen. Wege bringen uns von A nach B, zur Arbeit, zum Supermarkt, zum Aussichtspunkt mit Bank und Geländer. Selbst wenn wir „wandern gehen“, ist oft alles schon da: GPX-Track, Hüttenrhythmus, Fotospots. Der Weg vor uns ist geplant, wir füllen ihn nur noch mit Schritten.
Was passiert, wenn wir dort ausbrechen? Wenn wir nicht mehr laufen, um anzukommen, sondern gehen, um zu sehen? Wenn wir nicht mehr fragen: „Wie weit ist es noch?“, sondern: „Was macht dieser Ort gerade mit mir?“
Die Spaziergangswissenschaft – Promenadologie – stellt solche Fragen. Sie interessiert sich nicht für Gipfel, sondern für das Dazwischen: für Ränder, Brachen, hässliche Ecken, unspektakuläre Wege. Für das Gehen als Methode, die Welt als Text zu lesen. Und genau hier, irgendwo zwischen Flaneur, Hiker und Stadtbrachensammler, beginnt etwas, das ich “Ferale Promenadologie” nennen möchte: die Anarchie des Schlenderns.
Keine große Tour, kein neues Gear. Nur Füße, Zeit, und die Bereitschaft, sich von der Welt überraschen zu lassen.
Was Promenadologie will
Lucius Burckhardt nannte seine Disziplin Spaziergangswissenschaft, „strollology“. Die Idee ist simpel und radikal zugleich: Unsere Wahrnehmung der Welt ist nicht neutral. Sie ist gestaltet durch Architektur, Verkehr, Werbung, Routinen. Wer immer nur im Auto an einer Kreuzung vorbeifährt, sieht etwas anderes als jemand, der dort zehn Minuten herumsteht.
Promenadologie versucht, diese Gestaltung sichtbar zu machen:
Landschaft ist kein Naturzustand, sondern gemacht.
Städte erzählen, was eine Gesellschaft wichtig findet, gerade auch dort, wo es hässlich wird.
Wahrnehmung ist gelernt. Wir sehen, was wir erwarten zu sehen.
Der Spaziergang wird zum Werkzeug. Wer langsam geht, kann Details nicht mehr ignorieren: den Lärmteppich an der Ausfallstraße, die unsinnige Zierwiese, den “desire path” quer über den Rasen, die Bank ohne Rückenlehne, dafür mit Armlehnen, die das Liegen verhindern sollen. Gehen wird zu Kritik in Bewegung.
Für ferals.eu ist das anschlussfähig: Wir interessieren uns für die sozialpolitischen Dimensionen von Natur, von Wildnis, von Zugang und Teilhabe. Promenadologie erweitert das Feld: Nicht nur Berge, auch Bushaltestellen sind Landschaften. Beide Arten Landschaften sind nicht unschuldig.
„Wer geht, sieht mehr“, schrieb Seume. Jule Hoffmann spricht von der „Anarchie des Gehens“: In einer Gesellschaft, die Effizienz liebt, ist zielloses Herumspazieren ein Affront. Du produzierst nichts, du kommst nicht und gehst nicht „weiter“, du störst sogar den Fluss der anderen. Noch schlimmer ist nur, dumm rum zu stehen.
Feral zu gehen heißt:
sich dem Nutzwert zu entziehen,
den eigenen Körper nicht als Maschine, sondern als Sensor zu benutzen,
Räume zu zweckentfremden.
Das beginnt banal: Du nimmst nicht den schnellsten Weg nach Hause, sondern die Nebenstraße hinter der Bahnlinie. Du biegst in den namenlosen Weg zwischen zwei Garagen ein. Du gehst an den Rand der Stadt, wo der Asphalt bricht und der Acker anfängt.
In diesen Rändern taucht die gezähmte Wildnis wieder auf: Hecken, Hinterhöfe, Brachland, kleine Bachufer - eben jene liminalen Orte, die niemand kuratiert hat, die nicht auf Instagram geteilt werden. Es sind genau jene Zonen, die im Outdoor-Mainstream nicht vorkommen. Kein Gipfelkreuz, kein spektakulärer Wasserfall. Nur Gras, Zaun, Wind.
Gerade deshalb sind sie politisch. Sie entziehen sich der Logik vom „perfekten Draußen“. Sie verlangen keine Ausrüstung und kein Ticket. Sie sind unauffällig genug, um nicht sofort kommerzialisiert zu werden – und damit sind es Freiräume, in denen wir üben können, anders zu gehen.
Situiertes Wissen auf zwei Beinen
Donna Haraway spricht von „situiertem Wissen“: Es gibt keine Gottesperspektive, nur Standpunkte. Jeder Blick ist verkörpert, lokal, begrenzt.
Das Gehen ist eine radikal körperliche Form dieses situierten Wissens. Was du wahrnimmst, hängt ab von:
deiner Geschwindigkeit,
deiner körperlichen Verfassung,
deiner Angst,
deinem Kontostand,
deiner Herkunft.
Der joggende Manager nimmt den Stadtpark anders wahr als eine wohnungslose Person, die dort schläft. Ein weißer Wanderer erlebt den Park anders als eine Schwarze Frau, die an Polizeikontrollen und rassistische Narrative gewöhnt ist. Ein Mensch mit chronischer Erkrankung sieht Steigungen anders als der Trailrunner.
Ferale Promenadologie nimmt diese Unterschiede ernst. Sie behauptet nicht, dass der Spaziergang alle gleich macht. Im Gegenteil: Sie fragt, wer hier geht, und was diese Person sieht - und was nicht.
Und das hat Folgen:
Der „schöne Weg“ ist nicht universell. Er ist gebunden an Klasse, Geschlecht, Körper.
Der Zugang zur Natur ist nicht nur eine Frage von Wegen, sondern von Macht.
Unsere eigenen Erzählungen vom Draußen sind nicht neutral, sondern situiert.
Wer das anerkennt, geht anders: weniger belehrend, neugieriger, mit mehr Bereitschaft zuzuhören – auch dort, wo es unbequem wird.
Rest is Resistance - auch zu Fuß
Ferale Promenadologie kritisiert das herrschende Regime: den Arbeitsfetisch, der uns einredet, jede Stunde müsse sich „lohnen“. Rest is Resistance.
Der Spaziergang ist, in dieser Logik, eine Zumutung. Du produzierst nichts, du konsumierst wenig, du entziehst dich, zumindest für eine Weile, der Verwertungslogik. Du wirst langsamer in einer Welt, die ständig beschleunigt.
Ferale Promenadologie verbindet dieses „langsamer werden“ mit Aufmerksamkeit:
nicht doomscrollen, sondern Laternenpfähle lesen,
nicht Mails checken, sondern Vogelrufe,
nicht noch eine Nachricht tippen, sondern schweigen und hören, wie die Straße klingt.
Das ist kein Wellness-Hack, sondern eine Form des Mikro-Widerstands. Nicht heroisch, nicht groß, aber konkret. Jede Stunde, die wir uns den Input-Output-Reflexen entziehen, ist ein kleiner Riss im Mythos, dass unser Wert vom Tun abhängt.
Und: Gehen ist oft die zugänglichste Form von Rast. Für Menschen, die sich keinen Retreat leisten können, die in engen Wohnungen leben, die pflegen, sorgen, schuften. Zehn Minuten um den Block können mehr sein als nichts, wenn wir sie uns zugestehen.
Kleine ferale Übungen - Promenadologie zum Mitnehmen
Keine Bucket List, sondern Einladung. Ein paar Rituale, die wir selbst praktizieren (oder praktizieren wollen):
1. Randgang
Geh von deiner Haustür aus los, immer in Richtung Stadtrand oder nächster Übergang: da, wo Häuser auf Felder treffen, Asphalt auf Schotter, Zaun auf Wildwuchs.
Nimm dir eine feste Zeit (z. B. 30 Minuten), nicht einen festen Ort vor.
Notiere dir: Wo kippt die Gestaltung? Wo werden Dinge „unordentlich“?
2. Sit-Spot
Such dir einen Ort, an dem du dich sicher fühlst: eine Bank, eine Treppe, ein Baum.
Setz dich zehn Minuten hin, ohne Handy. Kein „Spaziergang“, nur Sitzen.
Zähle: Wie viele Geräusche kannst du unterscheiden? Wie viele Bewegungen? Was riechst du?
3. Desire Paths
Achte beim Gehen auf Trampelpfade, die offiziell nicht vorgesehen sind: abgekürzte Ecken, Spuren im Gras, Pfade durch Hecken.
Frag dich: Welche Bedürfnisse sind in diese Linien eingeschrieben? Bequemlichkeit? Sicherheit? Protest?
Wenn du magst, dokumentier sie: eine kleine Kartographie des Ungehorsams.
4. Anti-Postkarte
Mach auf deinem nächsten Gang bewusst ein Foto von einem „hässlichen“ Ort: Parkplatzrand, Unterführung, Lagerplatz.
Schreib einen Satz dazu, warum dieser Ort trotzdem (oder gerade deshalb) etwas erzählt.
Teil es, wenn du magst, ohne Location-Tagging, ohne „Secret Spot“-Romantik.
5. Turnaround-Time
Setz dir beim Gehen eine Rückkehrzeit, nicht ein Ziel. Beispiel: „In 30 Minuten dreh ich um, egal wo ich bin.“
Beobachte, wie sich deine Wahrnehmung ändert, wenn der Weg selbst zum Ereignis wird, nicht das Ende.
Diese Übungen brauchen keine Kondition. Was sie aber brauchen: Neugier, Mut zur Langsamkeit und die Bereitschaft, sich auch von scheinbar unspektakulären Orten berühren zu lassen.
Wem gehört der Weg?
Die Frage aus „Die gezähmte Wildnis“ bleibt im Hintergrund stehen: Wem gehört das Draußen? Wer darf schlafen, wer darf gehen, wer wird kontrolliert?
Promenadologie zeigt: Auch in der Stadt, auf Bürgersteigen und zwischen Supermärkten, verlaufen diese Linien. Nicht alle Körper sind gleich oder gar willkommen. Nicht alle Formen des Draußenseins gelten als „okay“. Der Jogger mit Smartwatch wird anders gelesen als die Frau mit Plastiktüte, die auf derselben Bank sitzt.
Ferale Promenadologie heißt deshalb auch: schauen, wer mit uns unterwegs ist - und wer fehlt.
Welche Menschen siehst du auf deinen Wegen nie?
Wo sind Kinder? Alte Menschen? Wohnungslose? People of Color?
Welche Orte sind sichtbar überwacht, welche nicht?
Gehen kann Solidarität lehren: indem wir nicht nur Landschaft anschauen, sondern auch die in ihnen eingeschriebenen Machtverhältnisse, indem wir uns fragen, wie wir Wege mit anderen teilen können, ohne sie zu verdrängen. Vielleicht sogar, in dem unsere aufmerksame Anwesenheit eine Einladung für Andere sein kann.
Die kleine Anarchie gehen
Es ist leicht, auch das Gehen wieder in eine Leistung zu verwandeln: Schritte zählen, Höhenmeter sammeln, „Challenges“ abhaken. Dagegen hilft nur eines: das Recht auf Unordnung verteidigen!
Ferale Promenadologie ist kein neues Programm, keine App, kein weiteres To-do. Sie ist ein leiser Vorschlag:
Geh los, bevor du weißt, wohin.
Hör zu, bevor du erklärst.
Lass dir von Wegen etwas sagen, statt ihnen nur zu folgen.
Nimm dir das Recht, langsam und ziellos zu sein – mitten in einer Welt, die dich gern schneller hätte.
Vielleicht ist das die kleinste, realistischste Utopie: dass wir uns das Gehen nicht nehmen lassen. Nicht von Terminkalendern, nicht von Algorithmen, nicht von Wegen, die uns sagen wollen, was sich „lohnt“ zu gehen.
Wir sind Menschen, die das Gehen suchen. Wir entziehen uns den Wegen, um Pfade zu finden.
Berge, Wälder, endlose Trails füllen meine Feeds, meine Sehnsüchte und meine Warenkörbe. Doch die Wahrheit ist: Der Outdoor-Boom, so wie er heute inszeniert wird, hat nichts mit Naturverbundenheit zu tun. Stattdessen haben wir die Natur zur Bühne gemacht und das Draußen zu einem Produkt.
Wir sind es gewohnt, Wege zu benutzen, nicht, sie zu befragen. Wege bringen uns von A nach B, zur Arbeit, zum Supermarkt, zum Aussichtspunkt mit Bank und Geländer. Selbst wenn wir „wandern gehen“, ist oft alles schon da: GPX-Track, Hüttenrhythmus, Fotospots. Der Weg vor uns ist geplant, wir füllen ihn nur noch mit Schritten.
Was passiert, wenn wir dort ausbrechen? Wenn wir nicht mehr laufen, um anzukommen, sondern gehen, um zu sehen? Wenn wir nicht mehr fragen: „Wie weit ist es noch?“, sondern: „Was macht dieser Ort gerade mit mir?“
Die Spaziergangswissenschaft – Promenadologie – stellt solche Fragen. Sie interessiert sich nicht für Gipfel, sondern für das Dazwischen: für Ränder, Brachen, hässliche Ecken, unspektakuläre Wege. Für das Gehen als Methode, die Welt als Text zu lesen. Und genau hier, irgendwo zwischen Flaneur, Hiker und Stadtbrachensammler, beginnt etwas, das ich “Ferale Promenadologie” nennen möchte: die Anarchie des Schlenderns.
Keine große Tour, kein neues Gear. Nur Füße, Zeit, und die Bereitschaft, sich von der Welt überraschen zu lassen.
Was Promenadologie will
Lucius Burckhardt nannte seine Disziplin Spaziergangswissenschaft, „strollology“. Die Idee ist simpel und radikal zugleich: Unsere Wahrnehmung der Welt ist nicht neutral. Sie ist gestaltet durch Architektur, Verkehr, Werbung, Routinen. Wer immer nur im Auto an einer Kreuzung vorbeifährt, sieht etwas anderes als jemand, der dort zehn Minuten herumsteht.
Promenadologie versucht, diese Gestaltung sichtbar zu machen:
Der Spaziergang wird zum Werkzeug. Wer langsam geht, kann Details nicht mehr ignorieren: den Lärmteppich an der Ausfallstraße, die unsinnige Zierwiese, den “desire path” quer über den Rasen, die Bank ohne Rückenlehne, dafür mit Armlehnen, die das Liegen verhindern sollen. Gehen wird zu Kritik in Bewegung.
Für ferals.eu ist das anschlussfähig: Wir interessieren uns für die sozialpolitischen Dimensionen von Natur, von Wildnis, von Zugang und Teilhabe. Promenadologie erweitert das Feld: Nicht nur Berge, auch Bushaltestellen sind Landschaften. Beide Arten Landschaften sind nicht unschuldig.
„Wer geht, sieht mehr“, schrieb Seume. Jule Hoffmann spricht von der „Anarchie des Gehens“: In einer Gesellschaft, die Effizienz liebt, ist zielloses Herumspazieren ein Affront. Du produzierst nichts, du kommst nicht und gehst nicht „weiter“, du störst sogar den Fluss der anderen. Noch schlimmer ist nur, dumm rum zu stehen.
Feral zu gehen heißt:
Das beginnt banal: Du nimmst nicht den schnellsten Weg nach Hause, sondern die Nebenstraße hinter der Bahnlinie. Du biegst in den namenlosen Weg zwischen zwei Garagen ein. Du gehst an den Rand der Stadt, wo der Asphalt bricht und der Acker anfängt.
In diesen Rändern taucht die gezähmte Wildnis wieder auf: Hecken, Hinterhöfe, Brachland, kleine Bachufer - eben jene liminalen Orte, die niemand kuratiert hat, die nicht auf Instagram geteilt werden. Es sind genau jene Zonen, die im Outdoor-Mainstream nicht vorkommen. Kein Gipfelkreuz, kein spektakulärer Wasserfall. Nur Gras, Zaun, Wind.
Gerade deshalb sind sie politisch. Sie entziehen sich der Logik vom „perfekten Draußen“. Sie verlangen keine Ausrüstung und kein Ticket. Sie sind unauffällig genug, um nicht sofort kommerzialisiert zu werden – und damit sind es Freiräume, in denen wir üben können, anders zu gehen.
Situiertes Wissen auf zwei Beinen
Donna Haraway spricht von „situiertem Wissen“: Es gibt keine Gottesperspektive, nur Standpunkte. Jeder Blick ist verkörpert, lokal, begrenzt.
Das Gehen ist eine radikal körperliche Form dieses situierten Wissens. Was du wahrnimmst, hängt ab von:
Der joggende Manager nimmt den Stadtpark anders wahr als eine wohnungslose Person, die dort schläft. Ein weißer Wanderer erlebt den Park anders als eine Schwarze Frau, die an Polizeikontrollen und rassistische Narrative gewöhnt ist. Ein Mensch mit chronischer Erkrankung sieht Steigungen anders als der Trailrunner.
Ferale Promenadologie nimmt diese Unterschiede ernst. Sie behauptet nicht, dass der Spaziergang alle gleich macht. Im Gegenteil: Sie fragt, wer hier geht, und was diese Person sieht - und was nicht.
Und das hat Folgen:
Wer das anerkennt, geht anders: weniger belehrend, neugieriger, mit mehr Bereitschaft zuzuhören – auch dort, wo es unbequem wird.
Rest is Resistance - auch zu Fuß
Ferale Promenadologie kritisiert das herrschende Regime: den Arbeitsfetisch, der uns einredet, jede Stunde müsse sich „lohnen“. Rest is Resistance.
Der Spaziergang ist, in dieser Logik, eine Zumutung. Du produzierst nichts, du konsumierst wenig, du entziehst dich, zumindest für eine Weile, der Verwertungslogik. Du wirst langsamer in einer Welt, die ständig beschleunigt.
Ferale Promenadologie verbindet dieses „langsamer werden“ mit Aufmerksamkeit:
Das ist kein Wellness-Hack, sondern eine Form des Mikro-Widerstands. Nicht heroisch, nicht groß, aber konkret. Jede Stunde, die wir uns den Input-Output-Reflexen entziehen, ist ein kleiner Riss im Mythos, dass unser Wert vom Tun abhängt.
Und: Gehen ist oft die zugänglichste Form von Rast. Für Menschen, die sich keinen Retreat leisten können, die in engen Wohnungen leben, die pflegen, sorgen, schuften. Zehn Minuten um den Block können mehr sein als nichts, wenn wir sie uns zugestehen.
Kleine ferale Übungen - Promenadologie zum Mitnehmen
Keine Bucket List, sondern Einladung. Ein paar Rituale, die wir selbst praktizieren (oder praktizieren wollen):
1. Randgang
2. Sit-Spot
3. Desire Paths
4. Anti-Postkarte
5. Turnaround-Time
Diese Übungen brauchen keine Kondition. Was sie aber brauchen: Neugier, Mut zur Langsamkeit und die Bereitschaft, sich auch von scheinbar unspektakulären Orten berühren zu lassen.
Wem gehört der Weg?
Die Frage aus „Die gezähmte Wildnis“ bleibt im Hintergrund stehen: Wem gehört das Draußen? Wer darf schlafen, wer darf gehen, wer wird kontrolliert?
Promenadologie zeigt: Auch in der Stadt, auf Bürgersteigen und zwischen Supermärkten, verlaufen diese Linien. Nicht alle Körper sind gleich oder gar willkommen. Nicht alle Formen des Draußenseins gelten als „okay“. Der Jogger mit Smartwatch wird anders gelesen als die Frau mit Plastiktüte, die auf derselben Bank sitzt.
Ferale Promenadologie heißt deshalb auch: schauen, wer mit uns unterwegs ist - und wer fehlt.
Gehen kann Solidarität lehren: indem wir nicht nur Landschaft anschauen, sondern auch die in ihnen eingeschriebenen Machtverhältnisse, indem wir uns fragen, wie wir Wege mit anderen teilen können, ohne sie zu verdrängen. Vielleicht sogar, in dem unsere aufmerksame Anwesenheit eine Einladung für Andere sein kann.
Die kleine Anarchie gehen
Es ist leicht, auch das Gehen wieder in eine Leistung zu verwandeln: Schritte zählen, Höhenmeter sammeln, „Challenges“ abhaken. Dagegen hilft nur eines: das Recht auf Unordnung verteidigen!
Ferale Promenadologie ist kein neues Programm, keine App, kein weiteres To-do. Sie ist ein leiser Vorschlag:
Vielleicht ist das die kleinste, realistischste Utopie: dass wir uns das Gehen nicht nehmen lassen. Nicht von Terminkalendern, nicht von Algorithmen, nicht von Wegen, die uns sagen wollen, was sich „lohnt“ zu gehen.
Wir sind Menschen, die das Gehen suchen. Wir entziehen uns den Wegen, um Pfade zu finden.
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Gearification: Warum wir vergessen haben, worum es wirklich geht
Berge, Wälder, endlose Trails füllen meine Feeds, meine Sehnsüchte und meine Warenkörbe. Doch die Wahrheit ist: Der Outdoor-Boom, so wie er heute inszeniert wird, hat nichts mit Naturverbundenheit zu tun. Stattdessen haben wir die Natur zur Bühne gemacht und das Draußen zu einem Produkt.
Couscous Allerlei